Patrick Idinger stellt Feinschnitt vor

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Patrick Idinger eröffnet mit "Feinschnitt" ein Frisörgeschäft nach seinen Vorstellungen.

Wien Work: Stellen Sie ihr Geschäft bitte vor?

Ich habe mit Anfang 2017 einen Frisörsalon im 6. Bezirk eröffnet. Ich bin der erste Frisör, der länger geöffnet hat, als der Mitbewerb. Das sehe ich als mein großes Alleinstellungsmerkmal und das Angebot wird auch von meinen KundInnen gut angenommen. Unser Angebot umfasst neben dem klassischen Haarschnitt alles rund um Styling, wie z.B. färben, Augenbrauen stylen, Make-Up etc. Da hilft es natürlich enorm, dass meine Mitarbeiterin und ich auch ausgebildete Visagisten sind.

Aufgrund meiner Gastronomieausbildung habe ich auch den Gewerbeschein für Barbetrieb erworben und biete meinen KundInnen zusätzlich Getränke und eine Partylocation. KundInnen können auf Wunsch unser Geschäft mieten und ihre privaten Feiern hier veranstalten. Getränke habe ich immer da, falls gewünscht gibt es auch Catering usw. Auf Vorbestellung ist fast alles möglich.

Wien Work: Wieso wollten Sie sich selbständig machen?

Meine Hauptmotivation war aus dem Angestelltenverhältnis rauszukommen. Ich hatte den Wunsch meine eigenen Ideen zu verwirklichen und mein eigenes Geschäft zu führen. Hinzu kommt, dass man als angestellter Friseur meist nur nach Kollektivvertrag bezahlt wird und das zum Leben oft zu wenig ist. Mit 10 Jahren Berufserfahrung bekommt man gerade mal € 1.400,- netto bezahlt. Das erlebe ich Geringschätzung meiner Arbeit. Mein Wunsch war ein entsprechendes Einkommen zu schaffen und dazu war ich auch bereit das Risiko der Selbstständigkeit auf mich zu nehmen. Der Wunsch war schon lange da. Die Initialzündung das Projekt dann tatsächlich in Angriff zu nehmen war die Kündigung meines Dienstverhältnisses durch meine damalige Chefin. Ich war einige Jahre bei ihr beschäftigt und es war geplant, dass ich das Geschäft eines Tages übernehmen soll. Leider hat sie mich gekündigt bevor der Kündigungsschutz in Kraft trat. Das war eine große Enttäuschung für mich. Sie dachte anfangs ich würde mich nach einiger Zeit wieder bei ihr melden und für sie arbeiten wollen, doch das wollte ich nicht mehr. Trotz der Enttäuschung bin ich auch dankbar, dass es so gekommen ist, weil ich sonst nicht da wäre, wo ich jetzt bin.

Wien Work: Wie ist Ihnen diese Geschäftsidee gekommen?

Ich hatte mit 21 Jahren einen Unfall durch den ich meinen rechten Unterschenkel verloren habe. Vor dem Unfall habe ich in der Gastronomie gearbeitet und es hat mir auch gut gefallen. Die Arbeitszeiten waren lang, aber ich habe gut verdient und es hat mir Freude gemacht. Der Unfall hat mein Leben komplett durcheinander gewürfelt. Zuerst hat man mir geraten in Frühpension zu gehen, doch das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Ich war damals erst 21 Jahre alt und hatte doch noch mein ganzes Leben vor mir. Dann hat man mir am Weißen Hof eine Eignungsuntersuchung angeboten, die ich auch gemacht habe. Es hat sich herausgestellt, dass ich im kreativen Bereich bleiben sollte und ich habe die Umschulung zum Friseur und Visagisten gemacht. Rückwirkend betrachtet bin ich sehr froh darüber, dass ich diese Chance bekommen habe, weil ich jetzt meinen Traumjob gefunden habe.

Die Kombination meiner beiden Ausbildungen hat mich dann auf die Idee gebracht diese Art von Friseurgeschäft zu eröffnen. Zumal mir bewusst war, dass es wichtig ist einen Mehrwert gegenüber der Konkurrenz zu bieten. Wien ist die Stadt mit der höchsten Friseurdichte in Europa. Da muss man als „Neuling“ schon was Besonderes bieten um erfolgreich zu sein. Da sah ich also meine Zukunft und bisher hat sich alles großartig entwickelt.

Wien Work: Worauf kommt es in Ihrer Branche an?

Aus meiner Sicht ist die Qualität der Arbeit entscheidend. Dabei geht es nicht nur um den Haarschnitt an sich, sondern um das Gesamtkonzept. Unsere KundInnen spüren, dass wir uns wirklich um jede und jeden einzelnen kümmern und das Ergebnis sieht man dann gleich am eigenen Kopf. Sie fühlen sich wohl und umsorgt bei uns und deshalb kommen sie auch wieder. Vertrauen ist sehr wichtig.

Wichtig ist auch, dass wir uns laufend weiterbilden und, dass man nicht stehen bleibt. Wir informieren uns laufend über neue Trends und Frisuren, trotzdem machen wir nicht jede Entwicklung mit. Es gibt Trends, die ich persönlich für Unfug halte und das teile ich meinen KundInnen auch mit. Bei den Messen und Weiterbildungen schätze ich auch den Austausch mit KollegInnen. Wenn mir jemand Neuer auf die Finger schaut und mir Feedback gibt, dann kann ich immer was Neues lernen. Die Geschäfte, die zusperren sind jene, die stehen bleiben und sich nicht weiterentwickeln.

Wien Work: welche Rolle spielt Ihre Behinderung für Ihre Selbständigkeit? War sie hilfreich? War sie ein Hindernis? 

Ohne den Unfall wäre ich sicherlich woanders gelandet. Gastronomie ist eine schwierige Branche und ich habe wirklich viel Zeit in der Arbeit verbracht. Als wir dann endlich frei hatten, waren nur mehr Bars oder Clubs geöffnet. D.h. ich habe viel Zeit mit Fortgehen verbracht. Heute würde ich sagen, dass ich damals falsche Werte hatte. Ich hatte zahlreiche Freunde, doch viele davon waren nur oberflächliche Kontakte.

Ich als Person habe mich durch den Unfall auch sehr stark verändert. Ich habe meine Leben neu geregelt und viele meiner Werte aufgegeben. Ich habe gelernt das Leben und meine Beziehungen zu schätzen. Ich bin mir auch über meine eigene Endlichkeit klargeworden und versuche das Leben zu genießen. D.h. ich tue viel mehr Dinge, die mag und die mir guttun. Dazu zählt auch mein Beruf! Ich sehe ihn als meine Berufung an und verbringe wertvolle Zeit in meinem Geschäft. Es ist bis zu einem gewissen Grad ein zweites zu Hause für mich geworden.  

Wien Work: Wie geht es Ihnen jetzt?

Ich bin sehr zufrieden mit meiner Entscheidung und glücklich über die Entwicklung meines Geschäfts. Die Anfangszeit war schwierig und zum Teil kämpfe ich noch immer mit meiner Bank und den Fördergebern. Das zieht sich noch etwas und bereitet mir einiges Kopfzerbrechen, doch das ist nur mehr eine Frage der Zeit bis das erledigt ist. Das Geschäft selbst läuft wirklich gut und ich bin mit der Entwicklung sehr zufrieden. Wir haben ausschließlich gute Mundpropaganda und Bewertungen im Internet und das sind ausgezeichnete Referenzen. Das sind die Kanäle, über die unsere KundInnen zu uns finden. Neben der wirtschaftlichen Seite, macht mir die Arbeit große Freude und ich habe das Gefühl meine Berufung gefunden zu haben.

Wien Work: Was sind Ihre nächsten Pläne?

Mein primäres Ziel ist es das Geschäft weiter zu etablieren und die zuvor angeführten Anfangsprobleme abzuschließen. Die letzten Monate hatte ich sehr gute Umsätze und ich möchte mich auf diesem hohen Niveau stabilisieren. Dann weiß ich, dass mein Konzept funktioniert.  Eventuell werde ich dann ab nächstem Jahr einen weiteren Stylisten/in aufnehmen. Das wird sich noch zeigen. Als langfristiges Ziel würde die Eröffnung einer zweiten Filiale sehen. Wir haben hier räumliche Grenzen, die ich nicht überschreiten möchte, weil sonst der Charakter meines Geschäftes verloren geht. 

Wien Work: Was war die größte Herausforderung, die Sie zu meistern hatten?

Meine größte Herausforderung war es, eine Bank von meinem Konzept zu überzeugen und die Finanzierung zu bekommen. Da hatte ich das Glück an einen Bankberater zu geraten, der mein Konzept verstanden und mitgetragen hat. Das hat mich viel Überzeugungsarbeit gekostet, aber letztlich steht er nun voll hinter mir. Die Bankgespräche waren ein Lernprozess für mich und die ersten Banken haben mein Konzept abgelehnt. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Banktermin erinnern. Meine Hausbank hat mein Konzept abgelehnt, weil es ihr zu optimistisch war. Auch eine Überarbeitung hat da nicht geholfen, sie haben es mir einfach nicht mehr zugetraut. Einige haben mein Konzept bzw. mein Alleinstellungsmerkmal nicht verstanden. Zitat: „Einen weiteren Frisör brauchen wir nicht!“. Und in einem Fall hat es auf der persönliche Ebene einfach nicht gepasst. Für das Bankgespräch ist es unbedingt notwendig einen guten Business Plan vorzulegen. Ohne gute Unterlagen ist es unmöglich eine Finanzierung zu bekommen.

Die Standortsuche war das zweite große Problem. Ich hatte immer an einen Standort im 6. oder 7. Bezirk gedacht, aber nichts Passendes gefunden. Dann hatte ich einen super Standort im 2. Bezirk gefunden, den ich unbedingt wollte. Die Bank hat mir aber davon abgeraten, aufgrund der großen Dichte an Mitbewerbern in der näheren Umgebung. Ich habe dieses Feedback sehr ernst genommen und bin nun froh doch im 6. Bezirk gelandet zu sein. Für mich waren mehrere Faktoren bei der Standortentscheidung ausschlaggebend: da ist zum einen die gute Erreichbarkeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Dann gibt es viele coole Lokale in der Nähe, die sich als Multiplikatoren herausgestellt haben.

Last but not least fühlt es sich für mich wie die Rückkehr zu meinen Wurzeln an. Ich bin hier in der Nähe in die Schule gegangen und habe einen starken persönlichen Bezug zu der Gegend hier. Wir haben auch einige Zeit hier gewohnt und es fühlt sich sehr vertraut an. Alles in allem halte ich den 6. Bezirk für perfekt geeignet um mein Konzept erfolgreich umzusetzen.

Wien Work: Das Geheimnis ihres Erfolges?

Meine Mitarbeiterin und ich, wir lieben unseren Beruf und unsere KundInnen spüren das. Sie merken, dass bei uns etwas anders ist. Wir schneiden ihnen nicht nur die Haare, wir haben auch Spaß dabei. Das kam mir bei einigen meiner bisherigen Dienstgeber zu kurz. Hinzu kommt, dass meine Mitarbeiterin und ich gut harmonieren. Wir sind ein gutes Team!  Wir haben es mit Menschen zu tun und die spüren ob ich meinen Job gerne mache oder nicht.

Ich hatte auch noch nie das Gefühl, dass ich in die Arbeit gehen muss, sondern mein Geschäft ist eine Art zweites zu Hause für mich geworden.

Wien Work: Tipps für GründerInnen?

„Nicht aufgeben!“ Es wird immer wieder vorkommen, dass einem Steine in den Weg gelegt werden, aber man darf ich nicht aufgeben. Es gibt viele Hürden zu überwinden, aber es ist schaffbar. Mich hat der Weg zur Selbstständigkeit sehr an ein Sprichwort erinnert, das mich schon mein ganzes Leben begleitet: „Nichts was sich zu haben lohnt bekommt man einfach.“. So ähnlich habe ich den Gründungsprozess erlebt und bisher kann ich dem nur zustimmen. Es lohnt sich den Weg zu gehen!

Einen weiteren Tipp in diesem Zusammenhang ist: „Lebe für dein Vorhaben.“ Ich glaube nur so kann man auch langfristig erfolgreich sein. Wenn man nur halbherzig an die Sache rangeht wird es vermutlich nicht klappen. Ich habe dabei den Rückhalt und die Unterstützung durch Freunde und Familie als sehr wichtig erfahren.

Wien Work: Unterstützung durch Gründungsberatung

Ich war sehr dankbar für die Hilfe bei der Förderungsbeantragung beim Sozialministeriumservice. Ich habe die Förderabwicklung als sehr schwierig und langwierig erlebt. Man bekommt viele verschiedene Informationen von unterschiedlichen Seiten und weiß nicht so recht was stimmt. Mit Schrecken erinnere ich mich noch an einen Zeitpunkt, da dachte ich das Projekt sei gelaufen. Die AWS wollte das gesamte Projekt abblasen, weil wieder irgendwas gefehlt hat. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt gerade eine Lieferung Lampen erhalten und bereits Rechnungen zu bezahlen. Das war eine der schlimmsten Nächte meines Lebens. Ich habe mich schon als Sozialhilfeempfänger mit einem Schuldenberg gesehen.

Kritisch sehe ich, dass die Förderungen erst im Nachhinein kommen und ich nicht weiß ob ich mit dem Geld rechnen kann. Ich muss daher immer erst mein Projekt vorfinanzieren und kann mir über die Förderungen vielleicht einen Teil wieder zurückholen. Das hilft bei der Aufstellung der Finanzierung nicht und das war bei mir einfach der Knackpunkt. Insofern war ich sehr froh, dass es für die Förderung des SMS einen kompetenten Ansprechpartner gab.

Wien Work: Vielen Dank für das Interview.

 

 

               

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