Turgut Acar übernimmt eine Trafik im 9. Bezirk

  • Herr Acar © pr-foto.eu Ritschy Pobaschnig
  • Turgut Acar bei Solution Brunch © pr-foto.eu Ritschy Pobaschnig

Herr Acar hat im Jahr 2017 sein großes Ziel erreicht und eine Tabak Trafik im 9. Bezirk übernommen. Nach vielen Jahren erfolgloser Suche hat er mit Unterstützung der Wien Work Gründungsberatung ein passendes Geschäft gefunden. Trotz einiger Startschwierigkeiten ist er froh über seine Entscheidung und erzählt uns wie es dazu kam.

Hallo Herr Acar!

Vielen Dank für ihre Zeit und die Bereitschaft für das Interview.

Wien Work: Stellen Sie sich bitte vor?

Mein Name ist Turgut Acar und ich bin 33 Jahre alt. Ich bin seit meiner Kindheit auf einen Rollstuhl angewiesen, weil ich an spastischer Cerebralparese leide. Ich habe eine Integrationsklasse in der Schule besucht. Am Anfang habe ich mir schwer getan mit den Umständen in der Schule, unter anderem auch, weil ich nie im Kindergarten war. Danach war ich in einer Tageswerkstätte von Assist4you und habe den Hauptschulabschluss nachgeholt. Seit meinem 16. Lebensjahr ist es mein Traum eine Trafik zu übernehmen. Nach einiger Zeit zu Hause habe ich bei Equalizent verschiedene Kurse besucht und im Jahre 2009/2010 die Ausbildung zum Bürokaufmann abgeschlossen. Trotz einiger Umwege habe ich meinen Traum nicht vergessen und bin meinem Ziel im Jahr 2011 einen Schritt nähergekommen: ich habe die Trafikanten Ausbildung absolviert und erfolgreich abgeschlossen. Die Ausbildung erlaubt es mir selbständig eine Trafik zu führen.

Die Idee zur Übernahme einer Trafik habe ich irgendwo aufgeschnappt. Ich habe erfahren, dass nur Menschen mit Behinderung eine Trafik übernehmen dürfen. Das hat den Wunsch in mir gefestigt, auch weil ich lernen musste, dass ich mit meiner Behinderung wenig Alternativen habe.

Wien Work: Stellen Sie ihr Geschäft bitte vor?

Meine Trafik befindet sich in der Fuchsthallergasse 9 im 9. Bezirk. Ich habe das Geschäft im Sommer 2017 übernommen und grundsätzlich bin ich mit dem Standort und der Entwicklung sehr zufrieden. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist, dass der Standort viele Jahre gut geführt wurde. Ich glaube, dass die KundInnen die Kontinuität schätzen. Wir haben zu 75% Stammkundschaft, die auch noch nach der Übernahme bei mir geblieben sind. Eine freundliche Begrüßung, Geduld gegenüber den KundInnen und die richtigen fachlichen Informationen sind äußerst wichtig für den geschäftlichen Erfolg. Wir versuchen auf unsere KundInnen so gut wie möglich einzugehen.

Wir haben die gesamte Produktpalette an Tabakwaren, Zeitungen und Zeitschriften sowie Lotto/Toto, Rubbellose, Fahrscheine, Parkscheine und zahlreiche Nebenartikel. Unsere KundInnen finden bei uns alles was sie für ihren Rauchgenuss benötigen. Zusätzlich sind wir ein Tabakfachgeschäft mit Spezialisierung auf Zigarren. Wir führen auch ein kleines Sortiment an E-Zigaretten und Liquids. Diese werden allerdings nicht so stark nachgefragt bei uns, daher haben wir da nicht so viel auf Lager. Gerne bestellen wir diese Produkte für unsere KundInnen. Wichtig ist es aus meiner Sicht das richtige Sortiment für die KundInnen auf Lager zu haben. Dafür braucht es entweder langjährige Erfahrung oder eine gute Einschulung vom Vorgänger bzw. der Vorgängerin.

Wien Work: Wieso wollten Sie sich selbständig machen?

Ich habe mir die Chance erarbeitet, weil man mir seitens Monopolverwaltung einige Steine in den Weg gelegt hat. Als ich 20 Jahre alt war, hatte ich den ersten Kontakt zur Monopolverwaltung um mich über eine Trafikübernahme zu erkundigen.

Ich hatte den Eindruck, dass man mir die Führung einer Trafik nicht zutraut. Ich hatte zum damaligen Zeitpunkt allerdings auch noch wenig Ausbildung und Arbeitserfahrung vorzuweisen. Ich vermute das war ein Grund für die anfänglich ablehnende Haltung der Monopolverwaltung.

Wien Work: Wie erleben Sie die Selbständigkeit?

Ich war mit vielen Herausforderungen konfrontiert und hatte viele Probleme zu meistern, besonders in der Anfangsphase. Jetzt habe ich die größten Anlaufprobleme gemeistert und bin immer noch am Lernen. Zu Beginn habe ich viele Dinge sehr persönlich genommen. Heute stehe ich da etwas drüber und nehme die Dinge so wie sie kommen. Ich erkenne ein Problem und versuche eine Lösung zu finden, weil sonst „bleibst über“. Eine Fähigkeit, die ich mir erst erarbeiten musste.

Ich fühle mich mit der Trafik grundsätzlich nicht schlecht. Ich glaube, dass ich das habe was ich wollte und mir erträumt habe. Privat, als ich das Geschäft noch nicht hatte, war es schwieriger. Jetzt habe ich die Möglichkeit finanziell etwas unabhängiger zu agieren. Ich bin mir aber auch durchaus der großen Verantwortung bewusst, die ich habe.

Wien Work: Welche Rolle spielt Ihre Behinderung für Ihre Selbständigkeit?

Meine Behinderung hat für meine Unternehmensgründung eine große Rolle gespielt. Ich wäre sonst vermutlich nicht auf die Idee gekommen eine Trafik zu übernehmen, außerdem hätte ich ohne Behinderung auch keine Trafik bekommen.

Wien Work: Wie geht es Ihnen jetzt?

Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, dann würde ich nochmals um eine Trafik kämpfen. Ich bereue meine Entscheidung nicht. Ich bin froh wie sich alles entwickelt hat. Trotzdem war und bin ich immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert. „Fad wird mir nicht“ (lacht).

Wien Work: Was sind Ihre nächsten Pläne?

Meine nächsten Ziele sind mich fachlich weiter zu bilden und meine Fähigkeiten in der Geschäftsführung weiter zu entwickeln.  Ich habe mir dafür eine erfahrene Kollegin gesucht, die mich unterstützt und von der ich noch viel lernen kann. Ich glaube, dass ich einen langen Atem habe und nicht leicht aufgebe. Was ich mir in den Kopf setze, das erreiche ich auch meistens. Meine Lernbereitschaft war schon immer eine meiner großen Stärken. Danach ist es mir wichtig meine Verbindlichkeiten los und schuldenfrei zu werden.

Wien Work: Was war die größte Herausforderung, die Sie zu meistern hatten?

Es war schwierig eine passende Trafik zu finden, die auch umsatzstark genug ist um auf meine besonderen Bedürfnisse Rücksicht nehmen zu können. Aufgrund meiner Behinderung kann ich selbst nur wenig im Verkauf machen. Die zweite Herausforderung war die Finanzierung für die Trafikübernahme auf die Beine zu stellen. Meine Hausbank wollte z.B. meine Familie als Bürgen haben für die Finanzierung. Das wollte ich meiner Familie nicht zumuten, weil es mein Projekt ist und ich dafür geradestehen will. Meine aktuelle Bank hat mein Geschäftsmodell richtig bewertet und die Finanzierung zugesagt.

Es war sehr schwierig erfahrenes und kompetentes Personal zu finden. Wichtig ist auch, dass die MitarbeiterInnen vertrauenswürdig sind, weil ich bis zu einem gewissen Grad von ihnen abhängig bin. Mit diesem Thema bin ich gerade wieder konfrontiert.

Wien Work: Rollstuhl & Trafik?

Wenn man im Tagesgeschäft nicht mitarbeiten kann, so wie ich, dann halte ich es für wichtig eine Person des Vertrauens im Unternehmen zu haben auf die man sich verlassen kann. Das kann jetzt ein Familienmitglied, ein Partner oder auch ein Freund/Bekannter sein. Meine Erfahrung ist, dass es sehr schwierig ist solche Personen zu finden. Das Problem ist, dass der Schaden schnell angerichtet ist und ich komme nur schwer drauf was passiert ist und wer es gemacht hat. Durch meine Einschränkung kann ich das nur schwer kontrollieren und bin daher sehr stark auf meine MitarbeiterInnen angewiesen.

Wien Work: Ihr größter Erfolg?

Ich bin stolz, dass ich all meinen Zahlungen nachkommen kann und es da keinerlei Probleme gibt. Ich kann all meine finanziellen Verpflichtungen zeitgerecht begleichen. Das habe ich gut im Griff und darauf bin ich sehr stolz. Und natürlich bin ich stolz, dass ich es seit mehr als einem halben Jahr schaffe das Geschäft auf Kurs und die Umsätze meiner Vorgängerin zu halten.

Wien Work: Was war die größte Enttäuschung?

Ich hatte mit meiner Vorgängerin die Vereinbarung getroffen, dass sie mich in das Geschäft einschult. Als sie das Geld hatte, habe ich nichts mehr von ihr gehört. Damit habe ich nicht gerechnet und ich war sehr enttäuscht. Aus meiner Erfahrung heraus würde ich daher jedem neuen Trafikanten und jeder Trafikantin raten, vor der Übernahme im Geschäft mitzuarbeiten und den Kaufpreis nur unter der Bedingung, dass alle Gepflogenheiten des Geschäftes erklärt werden, zu überweisen.

Wien Work: Tipps für GründerInnen?

Suchen sie sich eine unabhängige Beratung aus der Branche. Wichtig ist es dabei die eigene Situation offen, ohne Vorbehalte, darzustellen. Nur so kann ein Externer die Situation richtig beurteilen. Wenn man selbst sehr stark involviert ist, dann kann man sich nicht so leicht rausnehmen. Daher habe ich eine unabhängige Einschätzung als sehr wichtig und wertvoll erlebt.

Weiters halte ich es für sehr wichtig die Kontrolle über das gesamte Geschäft zu haben. Vertrauen alleine reicht meiner Meinung nach nicht. Ich möchte gerne die Zügel selbst in der Hand halten, gerade im Trafiken-Bereich scheint mir das wichtig.

Wien Work: Wie haben Sie die Unterstützung durch die Gründungsberatung erlebt?

Ich habe die Begleitung als sehr wertvoll erlebt. Ich wüsste nicht wo ich ohne Wien Work heute wäre und wie ich das alles auf die Beine hätte stellen sollen. Ich habe sehr wertvolle Tipps und Informationen erhalten v.a. was die Finanzierung angeht. Ich habe die Finanzierung über das Gründercenter bei der Erste Bank erhalten und bin sehr dankbar für den Tipp dort hinzuschauen.

Ich bin sehr froh, dass ich bei der Erste Bank gelandet bin. Wir haben zwar immer wieder unsere Meinungsverschiedenheiten was die Kontogebahrung angeht, aber insgesamt haben wir eine gute Gesprächsbasis.

Vielen Dank für das Interview.

 

 

               

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