Kunsthandwerk von Leander Turneber

  • Work in Progress 1 © Rudolf Weissinger
  • Arbeitsplatz 1 © Rudolf Weissinger
  • Arbeitsplatz 2 © Rudolf Weissinger
  • Werkzeug © Rudolf Weissinger
  • Nähmaschine © Rudolf Weissinger

Herr Turneber ist, nachdem er viele Jahre lang im Ausland gelebt hat, nach Österreich zurückgekehrt, um seine kranke Mutter zu pflegen. Mit Hilfe der Wien Work Gründungsberatung hat er den Sprung ins Unternehmensgründungsprogramm des AMS und anschließend in die Selbständigkeit geschafft. Trotz vieler neuer Herausforderungen bereut er den Schritt nicht.

Wien Work: Bitte stellen Sie sich vor?

Mein Name ist Leander Turneber, ich habe nach der Schule eine Mechanikerlehre angefangen. Die Arbeit hat mir gut gefallen und ich habe mich dort wohler gefühlt als in der Schule. Aufgrund eines Motorradunfalles in jungen Jahren musste ich die Lehre allerdings abbrechen und mich neu orientieren. Erst Jahre später habe ich über einen Bekannten zur Lederbearbeitung gefunden. Er ist damals frisch aus den USA zurückgekommen und hat mich mit dieser besonderen Technik bekannt gemacht. So habe ich dann zu meinem heutigen Beruf gefunden.

Die letzten 17 Jahre habe ich im Ausland gelebt, zuletzt auf einer Finca in Gran Canaria, und bin aufgrund der Erkrankung meiner Mutter vor ca. 2 Jahren nach Österreich zurückgekehrt. Ich habe sie bis zu ihrem Tod gepflegt und dann die Verlassenschaft abgewickelt. Nach meiner Rückkehr habe ich mich beim AMS arbeitssuchend gemeldet. Da ich keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe hatte, habe ich Mindestsicherung bezogen. Die € 827,- waren für mich gerade so ausreichend, um über die Runden zu kommen. Die niederösterreichische Landespolitik hat eine Änderung der Mindestsicherung beschlossen. Da ich die letzten 6 Jahre nicht 5 Jahre durchgehend in Österreich war (obwohl ich österreichischer Staatsbürger bin), bin ich unter die „Flüchtlingsregelung“ gefallen und habe nur den verringerten Bezug in Höhe von ca. € 520,- erhalten. Obwohl ich nicht viel zum Leben brauche, konnte ich von dem Geld nicht mehr leben. Die Jobsuche gestaltete sich schier unmöglich und eine Nebenbeschäftigung durfte ich nicht annehmen, weil man zur Mindestsicherung nichts dazuverdienen darf. All diese Ereignisse ließen in mir den Entschluss reifen, dass ich mein Hobby auch in Österreich zu meinem Beruf machen möchte. Ich bin dann mit Hilfe der Gründungsberatung ins Unternehmensgründungsprogramm des AMS gekommen und seit März 2018 selbständig.

Wien Work: Stellen Sie Ihr Geschäft bitte vor?

Mein Gewerbe nennt sich Kunsthandwerk, meine Tätigkeit ist die Bearbeitung und das Verzieren von Leder. Es handelt sich um ein freies Gewerbe und ich darf Gegenstände verzieren und verschönern. Begonnen habe ich damit Motorradzubehör und Büchereinbände aus Leder zu machen. Ich komme ja aus der „Biker-Szene“, und da sind sowohl das Material, als auch meine Motive beliebt. Die Technik, die ich verwende, nennt sich Punzieren. Ich präge Muster ins Leder und bemale es dann, meist mit Airbrush. All meine Stücke sind in Handarbeit gefertigt und es handelt sich um Einzelstücke. Meine Produkte verkaufe ich über diverse Märkte und ein Netzwerk von Freunden und Bekannten, die einige meiner Kunstwerke bei sich ausstellen wollen. Den Großteil meines Geschäftes mache ich über Mundpropaganda und Empfehlungen.

In letzter Zeit habe ich eine neue KundInnengruppe für mich erschlossen: ich fertige Damenlederhandtaschen und zwar komplett mit Innenleben und Motiv. Meine Kundinnen schätzen die Kunstfertigkeit meiner Arbeit und die Langlebigkeit meiner Materialien. Die Handtasche hält eigentlich ewig. Mein „Standardprodukt“ sind Etuis für Zigaretten, die ich immer im Angebot habe. Dann mache ich noch viele Auftragsarbeiten wie z.B. einen Motorradsattel, einen Sattel für Pferde und ein Ledergilet für einen besonderen Kunden. Ich bin da sehr flexibel im Herrichten von Dingen, weil ich handwerklich sehr begabt bin.

Wien Work: Wieso wollten Sie sich selbständig machen?

Zum einen hat meine Einkommenssituation mich gezwungen den Schritt zu wagen. Ohne den Druck von Außen hätte ich den Schritt vermutlich nicht gewagt. Der andere wichtige Beweggrund für mich war, dass ich nicht mehr von staatlichen Institutionen und Zuwendungen abhängig sein wollte. Ich bin ein freiheitsliebender Mensch und mir war und ist es noch immer wichtig, dass ich unabhängig bin und meine eigenen Ideen umsetzen kann. Eine Anstellung zu finden war in meiner damaligen Situation aussichtslos. Aufgrund der Neuregelung der Mindestsicherung in Niederösterreich hätte ich sogar gemeinnützige Arbeit für die Gemeinde machen müssen. Ich habe mit dem Bürgermeister gesprochen, und er hat mir angeboten, dass ich auf dem Weihnachtsmarkt in der Gemeinde einen Stand bekomme, um dort meine Produkte zu verkaufen. Damit hatte ich nicht gerechnet. Das hat mir Mut gemacht weiterzumachen.

Wien Work: Wie erleben Sie die Selbständigkeit?

Ich möchte um keinen Preis zurück zum AMS. Ich bin froh über meine Entscheidung, auch wenn es nicht einfach ist. Ich verdiene nicht viel aus meiner Selbständigkeit, aber ich komme über die Runden. Was mir besonders wichtig ist, dass ich wieder für mich selbst verantwortlich bin und keine Almosen mehr empfangen muss.

Nach all den Jahren leide ich noch immer unter Phantomschmerzen in meinem (fehlenden) rechten Arm. An solchen Tagen kann ich nicht gut arbeiten. Meist lasse ich dann die Arbeit ruhen, weil ich mir meine Werke auch nicht ruinieren möchte. Ich kann meinen Arbeitsalltag nun viel besser auf meine eigenen Bedürfnisse abstimmen und an schlechten Tagen auch mal nichts tun. Natürlich muss ich dann an guten Tagen manchmal mehr tun. Da ich aber meist Auftragsarbeiten mache, verstehen meine KundInnen, wenn sie etwas länger warten müssen. Das haben wir meist im Vorfeld schon besprochen.

Wien Work: Wie ist Ihnen die Geschäftsidee gekommen?

Ein Bekannter von mir hat aus den USA jede Menge Werkzeug mitgebracht. Wir sind ins Reden gekommen, und er hat mir erklärt, dass es sich dabei um Werkzeug für die Lederbearbeitung handelt. Er hat diese Fertigkeiten in den USA gelernt und hat mir die Technik erklärt und gezeigt. Nachdem ein Freund von mir eine Reise nach New Orleans gewonnen hat, habe ich ihn gebeten mir das Werkzeug mitzubringen und er hat es doch tatsächlich im Handgepäck mitgenommen. Das hat mich sehr überrascht, weil ich nicht damit gerechnet habe. Alle weiteren Fertigkeiten habe ich mir selbst angeeignet.

Für mich ist die Arbeit auch Therapie. Sie hilft mir runter zu kommen und macht mich zufrieden. Ich bin stolz auf meine Arbeit. Mir ist sehr wichtig, dass ich mit meinen Produkten zufrieden bin, und erst dann kann ich sie weiterverkaufen. Ich möchte nur davon leben können. Ich habe keine großen Ansprüche.

Wien Work: Was sind Ihre Pläne für die nächsten 3 Jahre?

Ich möchte gerne meine Handtaschen verfeinern. Also das Innenleben gestalten und auch das äußere Erscheinungsbild verbessern. Meine KundInnen wollen nicht nur Taschen, die gut aussehen, sie müssen auch praktisch ein. Da gibt es so viele Möglichkeiten der Motive, Formen und Funktionen und ich freue mich, wenn meine Kundinnen mit dem Produkt zufrieden sind. Sonst habe ich keine großen finanziellen Ziele.

Wien Work: Was war die größte Herausforderung, die Sie zu meistern hatten?

Am Weihnachtsmarkt habe ich einen Auftrag bekommen für einen Motorradfahrer ein Ledergilet nachzubauen. Er hat sich vor 30 Jahren ein Gilet gekauft und war so zufrieden damit. Leider wurde es ihm über die Jahre zu eng und er wollte dasselbe wiederhaben. Wir haben viele Stunden damit verbracht es zu schneidern bzw. zu erstellen, aber es ist auch eines meiner besten Werke geworden. Der Kunde war auch sehr zufrieden damit. Es ist nicht alles möglich, aber ich versuche das Beste. Leder ist einfach Leder und in der Bearbeitung anders als Stoffe.

Ich habe mit der Zeit auch gelernt Aufträge abzulehnen. Für Freunde ist vieles möglich, aber für KundInnen muss mir auch was übrig bleiben. Wenn ich zu lange brauche oder zu viel Material benötige, dann muss ich meinen KundInnen entweder einen passenden Preis verrechnen oder klar machen, dass ich es um den Preis nicht machen kann. Wenn ich z.B. etwas von Hand nähen muss, dann benötige ich viel mehr Zeit und die muss ich dann weiterverrechnen.

Wien Work: Haben Sie Tipps für GründerInnen?

Ein guter Bekannter von mir ist seit 30 Jahren selbständig. Er hat immer zu mir gesagt: „Wenn du was machst, dann mach das, was du kannst, sonst wird es nix.“ Viele Leute haben Ideen und bauen vielleicht an Luftschlössern und es wird nichts daraus. Du musst die Arbeit ja viele Jahre machen und musst auch dabei bleiben. Ich bin überzeugt davon, dass man erfolgreich sein wird, wenn man mit Herzen und Einsatz dabei ist.

Wien Work: Wie haben sie die Unterstützung der Gründungsberatung erlebt?

Ohne sie wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin. Ich war ja beim AMS in Betreuung und habe dort immer wieder bekannt gegeben, dass ich mich mit meinem Kunsthandwerk gerne selbständig machen würde. Doch es kam immer nur die Antwort: „Das geht nicht!“ Ich habe keinerlei Hilfe und Unterstützung von meinem Betreuer erhalten, das hat mich sehr frustriert. Dann habe ich in der Zeitschrift des KOBV von dem Angebot der Gründungsberatung gelesen und mir einen Termin ausgemacht.

Ich habe von Wien Work viele wichtige Informationen erhalten und mir wurden Wege aufgezeigt wie ich das, was ich vorhabe auch umsetzen kann. Ich habe dank ihrer Unterstützung den Einstieg in das Unternehmensgründungsprogramm des AMS geschafft. Dort habe ich tolle Unterstützung von PPC und meiner Betreuerin erhalten. Wir stehen heute noch in Kontakt! Und wie das Leben so spielt, führt das eine zum anderen und ich konnte dort weitere wichtige Kontakte knüpfen. Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung, die ich erhalten habe.

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