Schmuck von Julia Zauner

  • Julia Zauner © Julia ZAuner
  • Info Arbeit Julia Zauner © Julia Zauner

Frau Zauner hat ihr Hobby zum Beruf gemacht: Sie entwirft Schmuck, stellt Schmuck aus Edelsteinen und Mineralien her und schreibt darüber auf ihrem eigenen Blog. Im folgenden Interview spricht sie über ihren schwierigen Weg aus der staatlichen Abhängigkeit und zu sich selbst. Ihre Arbeit ist für sie nicht nur ihre Einkommensgrundlage sondern auch Therapie. Viel Spaß beim Lesen!

Wien Work: Hallo Frau Zauner, danke für Ihre Zeit. Bitte stellen Sie sich vor? Was machen Sie?

Ich arbeite als Schmuck- und Edelsteindesignerin, halte Workshops ab und bin journalistisch tätig. Seit zwei Jahren führe ich den Blog talkingabout-schmuck.com und das Schmucklabel J.Kleeberg.

Ich möchte den Menschen, die Faszination an den kleinen Dingen des Lebens wieder näher bringen. Ich schleife Edelsteine und Mineralien über die ich auch schreibe. Ein weiterer Schwerpunkt meiner schriftstellerischen Tätigkeit liegt darauf, gesellschaftliche Funktionen von Schmuck zu hinterfragen. Dazu führe ich Filmanalysen durch und beschäftige mich mit verschiedenen Schmuckformen. Dabei streife ich verschiedene Disziplinen an. Ob Genderstudies, Filmwissenschaft, Geschichte, Soziologie, bis hin zur Darstellung von Behinderung im Film.

Um meinen Lebensunterhalt zu verdienen, gebe ich Workshops. Hier liegt vor allem der Schwerpunkt auf Edelsteinbearbeitung und Goldschmieden für den Hobbyisten. Mir war es wichtig einer Arbeit nachzugehen, die mir liegt und Freude bereitet. 

Wien Work: Wieso haben Sie sich entschieden sich selbständig zu machen?

Nach einer schweren Krankheitsphase musste ich mein Leben neu ausrichten. Ein weiterer Punkt war, dass ich aus der Mindestsicherung wollte, um wieder ein selbstbestimmtes Leben zu führen. 

Wien Work: Wie haben Sie Ihren Weg gefunden?

Seit 22 Jahren habe ich Multiple Sklerose. Die Erkrankung wurde erst festgestellt, als sie kaum mehr zu stoppen und bereits einiges an Schaden bei mir angerichtet hatte. Zuvor hatte ich zwei Studien abgeschlossen, die ich beruflich, eben aus oben genanntem Grund, nicht mehr ausüben konnte. Mehrere Jahre war ich arbeitsunfähig und habe mich wieder zurück gekämpft. Durch die Erkrankung verlor ich meine Arbeit und fiel in die Mindestsicherung. Die Mindestsicherung war einerseits hilfreich aber auch psychisch belastend. Vor allem ist man unfrei und der Willkür verschiedener Stellen ausgeliefert. Die richtigen Medikamente, die ich bis heute bekomme, stoppten den MS Verlauf und ermöglichten mir einen Neustart.

Ich machte eine Ausbildung, bei der ich diverse Schmucktechniken lernte und baute Stück für Stück mein Leben wieder auf. Ohne meine Mutter wäre all dies nicht möglich gewesen, die meinen Haushalt führte und mich finanziell unterstützte. 

Bis heute kämpfe ich täglich mit MS Symptomen die man mir weder anmerkt noch ansieht. Die PVA stufte mich als arbeitsfähig ein, ohne neurologische Befunde, oder meine Krankheit, zur Kenntnis zu nehmen. Nach einer dubiosen Testung, wollte ich dem Gutachten widersprechen, aber nicht der Arbeitsfähigkeit. Das war aber nicht möglich, so blieb mir nichts anderes übrig, als mich für 20 Stunden beim AMS zu melden.

Ich möchte arbeiten, aber es ist mir nicht mehr möglich einen  „normalen Arbeitsalltag einer Arbeitswoche“ durchzustehen. Man kann es sich ein wenig wie eine Batterie vorstellen, die sich zu schnell und völlig entlädt, nach einigen Stunden muss ich mindestens eine genauso lange Pause einlegen, um wieder weitermachen zu können. Falls ich an einem Tag länger arbeite, fehlt mir die Energie dann am nächsten Tag. Leider ist der „normale“ Arbeitsalltag streng reglementiert und oft mit physischer Anwesenheit verbunden, das lässt sich bei mir aber nicht mehr mit einer großen Stundenanzahl vereinbaren.

Als ich in einem AMS Programm war, bei dem ich sah, dass Frauen mit bester Ausbildung (Doktorinnen, Ingenieurinnen usw...) arbeitslos waren, wurde mir klar, dass ich lange darauf warten konnte bis ich einen Platz in einer Firma mit meiner Erkrankung, und dadurch entstandener Lücke im Lebenslauf, bekomme. Oft ist es nicht die körperliche Beeinträchtigung die einen so sehr behindert, sondern gesellschaftliche Strukturen und Vorurteile.

So habe ich mich entschlossen der verordneten Untätigkeit zu entfliehen und mein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Wenn man krank ist, wird man in der Mindestsicherung dazu gezwungen arm und untätig zu bleiben, weil man nichts dazu verdienen darf. Selbständigkeit ist nicht erlaubt, Ersparnisse wenn man welche hatte brauchen sich durch den geringen Bezug von selbst auf und es dürfen keine neuen Einkünfte erwirtschaftet werden. Das wird durchgehend kontrolliert. Wenn man trotzdem etwas dazu verdienen möchte, wird es erst richtig kompliziert, denn jeder Cent wird abgezogen, obwohl man so schon kaum über die Runden kommt. Falls man eine Ansprechperson ans Telefon bekommt, kann es leicht sein, dass das nächste Mal wieder jemand völlig anderer zuständig ist. Das ist nicht gerade motivierend. Doch wie soll man sonst aus der Mindestsicherung heraus kommen, wenn man nicht klein anfangen darf und sich etwas für einen Wiederaufbau auf die Seite legen kann?

Persönlich plädiere ich für einen Versuch das Grundeinkommen zuerst für Menschen mit besonderen Bedürfnissen einzuführen. Denn die Lebenssituation dieser Menschen ist bereits erschwert und nur so können fast gleichwertige Voraussetzungen in der Arbeitswelt hergestellt werden. Ein weiterer positiver Effekt wäre weniger Krankheitsausfälle, da negativer Stress reduziert wird und in Folge eine Senkung der Kosten im Gesundheitswesen. Zusätzlich würde es das Unternehmertum fördern, denn es gibt viele wache und intelligente Köpfe, auch unter Menschen mit Behinderung, die plötzlich die Chance bekommen sich ausprobieren zu können. Die wenigsten Menschen sind freiwillig gerne untätig, schließlich will jeder gebraucht werden.

Wien Work: Wie ist es selbstständig zu sein? Gibt es spezielle Vor- und Nachteile gegenüber einer Anstellung?

Ich bin froh den Schritt in die Selbstständigkeit gemacht zu haben. Endlich kann ich mich ausprobieren und bin nicht mehr zur Untätigkeit verdammt. Man wird wieder Teil der Welt, vorher ist man lediglich ein Zuseher der am Rand steht. Wie sich meine Selbständigkeit entwickelt, kann ich noch nicht sagen, aber alleine der Versuch ist es wert.

Ich denke, dass ich alle notwendigen Eigenschaften, um erfolgreich zu sein, in mir trage. Leider erlebe ich meine Erkrankung, und die damit verbundenen Bedürfnisse, auch als großes Hemmnis. Zeitweise fehlt mir die Kraft, die ich dringend benötige und ich muss völlig andere Dinge bedenken, als jemand der körperlich gesund ist.

Trotzdem sehe ich darin auch etwas Positives: ich wäre nicht da wo ich jetzt stehe und wäre nicht die Person, die ich jetzt bin. Der Weg bleibt spannend und ich lasse mich mit Freude und Neugier darauf ein.

Es gibt zahlreiche Vor- und Nachteile, die eine Selbstständigkeit mit sich bringt. Ich möchte hier nur die Wichtigsten aufzählen bzw. jene, die vielleicht nicht allen bekannt, aber aus meiner Sicht sehr wichtig sind.

Die Nachteile:

  • Sozialversicherungsbeitrag: die erleichterten Beiträge sind nur befristet und werden im 3. Jahr nachverrechnet.
  • Man ist für alles selbst verantwortlich und muss inzwischen auch Online fit sein.
  • Medikamentenbeschaffung wird komplizierter, wenn eine fachärztliche Bestätigung benötigt wird. Das erlebe ich jeden Monat selbst.
  • Einkommensteuer bereits ab 11.000 Euro, wenn man Glück hat, deckt das die Lebenserhaltungskosten gerade so ab.
  • Kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld.
  • Krankengeld erst ab den 43. Tag, das bedeutet, dass bereits eine Grippe sehr  am finanziellen Polster nagen kann
  • Man muss sehr viel behördliche und administrative Arbeit leisten, kaum mehr Zeit zur für die eigentliche Tätigkeit
  • Steuerberater zumindest im ersten Jahr, bedeutet aber auch zusätzliche Kosten.
  • Die Existenz ist nicht gesichert wie bei einem Anstellungsverhältnis. Geldbeträge variieren, und dadurch kommt es zu einer unsicheren Einkommenssituation.
  • Ständiges Netzwerken und Kundenakquise

Die Vorteile:

  • Realisieren wofür man sich berufen fühlt
  • Man lernt viele neue und spannende Menschen kennen.
  • Verschiedene Wege ausprobieren, was funktioniert was nicht.
  • Ideen entwickeln, neue Kompetenzen erlernen und entdecken
  • Steigert den Selbstwert und das Selbstbewusstsein
  • Körperlich und geistig in Bewegung
  • Lernt sich für die Welt da draußen wieder zu öffnen und hat auch Spaß an der Sache.
  • Man kann selbst sein Leben bestimmen
  • Man träumt nicht nur, sondern versucht zu realisieren

 

Es gibt ein paar Vergünstigungen für Menschen mit Beeinträchtigung, wenn am selbständig ist. Dazu zählt z.B. die Ausnahme vom Selbstbehalt bzw. die Medikamentenbefreiung für Niedrigverdiener. Diese Informationen sind allerdings gar nicht so leicht zu bekommen, daher möchte ich hier noch einmal betonen, dass es wichtig ist sich umfassend zu informieren.

Wien Work: Wie sehen Sie in die Zukunft?

Das ist noch schwer abschätzbar, dafür bin ich noch zu kurz selbstständig. Inzwischen kristallisiert sich aber heraus, dass es mir sehr wichtig ist finanziell abgesichert zu sein. Daher suche ich nach einem 20 Stunden Job, den ich zum Teil von zuhause aus ausführen kann. Meine Selbstständigkeit möchte ich aber nicht mehr völlig aufgeben.

Ich bin ein wissensdurstiger Geist und habe zahlreiche Ideen, die ich auch gerne im Team mit anderen Menschen voranbringen möchte. Diese Leute suche ich noch. Ich setze mich gerne für andere Menschen, ob jung oder jung geblieben ein und möchte unserer Gesellschaft etwas zurückgeben. Es ist mir wichtig zu zeigen, dass man den Kopf, egal wie das Schicksal spielt, nicht so leicht in den Sand stecken soll, sondern so viel wie möglich ausprobiert. Gerade das Internet bietet für Menschen mit besonderen Bedürfnissen eine unglaubliche Bandbreite an Möglichkeiten aktiv zu sein.

Wien Work: Was ist Ihrer Meinung nach der Schlüssel zum Erfolg?

Sich wieder für die Welt und die Menschen da draußen zu öffnen, seine Leidenschaft entdecken und kontinuierlich daran arbeiten die eigenen Ziele zu verwirklichen, auch wenn es manchmal nur in kleinen Schritten voran geht oder wieder einen Schritt zurück. Geistige Flexibilität und Spaß daran zu haben etwas Neues zu entdecken und dazu zu lernen halte ich für sehr wichtig. Der Rest ist leider auch Glück und zur rechten Zeit am richtigen Ort zu sein.

Wien Work: Haben Sie Tipps für andere Gründer*Innen?

Mein Tipp ist sich vor der Gründung umfassend zu informieren. Danach kann jede*r für sich die Vor- und Nachteile der Selbständigkeit abwägen und eine gute Entscheidung treffen. Wichtig ist, dass man sich nicht sofort von den ersten Problemen und Hindernissen abschrecken lässt.

Eine chronische Erkrankung ist nicht das Ende, und jeder sollte sich klar darüber sein, dass eine Sekunde genügt, ob Unfall im Haushalt, der Gang über die Straße, oder einfach nur weil man etwas Falsches gegessen hat, und schon ist man Teil der Community „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“.

In Österreich leben 1,3 Millionen Menschen mit einer dauerhaften Behinderung. Das sind 18,4% der Bevölkerung. Wir sind keine Minderheit, und das sollte uns endlich bewusst werden.

Und abschließend habe ich noch einen Tipp für die Betriebe als auch die österreichische Politik: Es wird Unmengen an Potenzial verschwendet, nur weil es Menschen mit besonderen Bedürfnissen unmöglich gemacht wird Teil der Arbeitswelt zu sein. Es gibt zwar viele Unterstützungsangebote, aber man kann sich noch so sehr bemühen, wenn einem eine Firma keine Chance gibt.

Es nützt wenig, wenn Lebensläufe optimiert werden, aber Unternehmen nicht dazu bereit sind Menschen mit besonderen Bedürfnissen einzustellen. Dazu kommt, dass das Arbeitsumfeld es oft unmöglich macht aktiv tätig zu sein, das beginnt bei einem barrierefreien Zugang, flexiblere Arbeitszeiten, Homeoffice, oder der Möglichkeit sich gegebenenfalls einfach auszuruhen.

Wien Work: Was war Ihre größte Herausforderung? Was war Ihr größter Erfolg?

Meine größte Herausforderung ist es, die Menschen immer richtig einzuschätzen, nicht jeder ist einem wohl gesonnen, aber es gibt auch viele ganz fantastische Leute, die man um sich sammeln sollte.

Mein größter Erfolg ist, dass ich all das geschafft habe, obwohl ich bereits eine sehr starke Progression meiner Erkrankung hatte. Das Ganze wurde durch neue Medikamente, und vor allem viel mentale Arbeit möglich.

Wien Work: Wie haben Sie die Unterstützung durch die Wien Work Gründungsberatung erlebt?

Die Gründungsberatung ist immer sehr hilfsbereit und wir stehen auch weiterhin in Kontakt. Wenn ich Fragen habe, bin ich gut aufgehoben, und weiß auch wo ich mich hinwenden kann. Fantastisch wäre aber eine Zweigstelle mitten in der Stadt.

 

 

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