Gabriel Tschurtschenthaler, selbständiger Masseur & Unternehmer in der Holzbringung

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Gabriel Tschurtschenthaler ist seit Frühjahr 2022 als selbständiger Heilmasseur tätig. Im Sommer 2022 macht er sich zusätzlich in der Holzschlägerung und -bringung selbständig. Wie das mit seiner Sehbehinderung zusammengeht, was ihn antreibt und wie es ihm geht, erzählt er im folgenden Interview.

WienWork: Hallo Gabriel, danke für Deine Zeit. Bitte stell Dich vor? Was machst Du?

Mein Name ist Gabriel Tschurtschenthaler, ich komme aus Südtirol und wohne seit ca. 7 Jahren in Wien. Ich bin gelernter Maschinenbauer und habe lange Zeit in der Forstwirtschaft in Südtirol gearbeitet. Da ich meine Arbeit im Wald durch die Verschlechterung meiner Sehkraft nicht mehr ausüben konnte, habe ich mich nach Alternativen umgesehen und die Ausbildung zum Heilmasseur in Wien absolviert. Ich arbeite nun seit ca. 4 Jahren als Masseur, zuerst in Anstellung in einem Sportinstitut und seit Anfang 2022 bin ich als selbständiger Masseur in der Spine Clinic im 1. Bezirk tätig. Im Sommer 2022 habe ich mich zusätzlich im Bereich Holzbringung und -aufarbeitung selbständig gemacht. Die Kombination aus beiden Aufgaben erfüllt mich gut. Die Massage nimmt viel Zeit in Anspruch, aber viel geht nebenher. Mein Netzwerk hilft mir da aber sehr gut und auch meine Mitarbeiter.

WienWork: Wieso hast Du dich entschieden dich selbständig zu machen?

Ich habe Maschinenbau gelernt und habe lange Zeit in der Fortwirtschaft gearbeitet. Leider konnte ich meinen Beruf durch die Verschlechterung meiner Erkrankung nicht mehr ausüben und habe mich nach Alternativen umgesehen. Aufgrund meiner Sehbehinderung konnte ich die Ausbildung zum Heilmasseur absolvieren. Mit dem Einkommen aus der Massage decke ich meinen Lebensunterhalt. Ich habe aber im Bereich der Holzwirtschaft einen großen Rückstau in der Aufforstung der Wälder in Tirol erkannt und einen Weg gesucht, da wieder einzusteigen.

 

Durch die Investition in ein zeitgemäßes Gerät mit voll maschineller Ernte mit einem Fahrer, kann ich mich auf die Organisation und Disposition kümmern und auch mit meiner Behinderung weiter in diesem Bereich tätig bleiben.

WienWork: Wie war der Schritt in die Selbständigkeit?

Der Schritt zur Selbständigkeit war bei mir eigentlich aus der Not heraus geboren. Mein Blindenhund ist gestorben und ab diesem Zeitpunkt konnte ich nicht mehr alleine in die Arbeit fahren. Ich war schon vorher an einer Zusammenarbeit mit der Spine Clinic interessiert, aber es gab hier Bedenken wegen meines Blindenhundes. Nach dem Tod des Hundes habe ich die Chance ergriffen, um hier selbständig als Heilmasseur zu arbeiten.

 

Für mich war es eine der besten Entscheidungen, die ich treffen konnte. Ich kann mir meine Zeit hier sehr gut einteilen und kann mich so auch auf mein zweites Standbein, die Forstwirtschaft konzentrieren.

WienWork: Wie ist es selbstständig zu sein? Gibt es spezielle Vor- und Nachteile gegenüber einer Anstellung?

Ich würde es so beschreiben: Man muss auch bereit sein diese Extrameile zu gehen, die im Angestelltenverhältnis vielleicht nicht so notwendig ist. Die gehe ich aber gerne, das bin ich auch gewohnt. Ich muss im Training auch noch einen draufsetzen, um das Handicap zu kompensieren.

 

Eine meiner Stärken ist, wenn ich mir was in den Kopf setze, dann ziehe ich das auch durch. Ich weiß genau, worauf ich mich einlasse, ich weiß, was es braucht, und ich denke mir auch alles gut durch. Dann suche ich Lösungen bis es funktioniert.

WienWork: Wie blickst Du in die Zukunft?

Als Selbständiger bleibt es immer spannend. Ich habe die nächsten 2 bis 3 Jahre keine Sorge, dass nicht genug Nachfrage im Bereich Holzbringung ist. Aber was kommt danach? Die Maschine braucht immer genug Auslastung, weil die Finanzierung auch länger läuft und somit Fixkosten zu decken sind. Ich bin aber auch schon auf der Suche nach einem Plan B, wo ich den Bagger noch einsetzen kann. Einen Plan B zu haben, war und ist mir immer wichtig gewesen. Eine Möglichkeit wäre z.B. den Bagger auch im Erdbau einzusetzen. Ich habe mit der Forstwirtschaft und der Aufarbeitung der Wälder in Tirol eine Nische besetzt, die gut funktioniert. Ich glaube es ist aber auch wichtig wachsam zu bleiben, Trends zu erkennen und nicht die Welle bis zum Schluss zu reiten.

 

In der Massage läuft es gut und ich sehe da sehr positiv in die Zukunft.

 

WienWork: Hast Du Tipps für andere Gründer:innen?

Ich habe nur einen Tipp, den ich gerne weitergeben möchte: „Traut’s euch einfach!“.

Ich bin ja der Meinung, dass, wenn man eine Idee im Kopf hat, dann lohnt es sich auch das auszuprobieren. Für mich wäre es immer schlimmer gewesen es nicht probiert zu haben, als zu scheitern.

 

Ein anderer wichtiger Aspekt der Selbständigkeit ist die Motivation. Die ist notwendig, um ein Projekt anzugehen und umzusetzen. Aber ich halte es auch für wichtig nicht zu verbissen an eine Sache ranzugehen. Man kann dadurch leicht den Zeitpunkt verpassen, wann man aufgeben muss.

WienWork: Was war Deine größte Herausforderung? Was war Dein größter Erfolg?

Im Bereich der Massage bin ich mittlerweile gut aufgestellt, da hat alles gut geklappt. Durch die gute Planung und die erfolgreiche Vorbereitung in Gesprächen mit meinen Kooperationspartnern in der Spine Clinic, läuft es in der Massage sehr gut.

 

Die Forstwirtschaft war schon deutlich schwieriger auf die Beine zu stellen. Hier gab es mehrere Herausforderungen: zum einen war es nicht einfach die Finanzierung für den Bagger zu bekommen. Es ging schließlich um viel Geld. Da haben mir der gute Business Plan und die Inputs der Gründungsberatung viel geholfen. Was dazu kommt ist das Ständige sich erklären müssen. Es hat von meiner Seite viel Aufklärungsarbeit benötigt, um alle involvierten Personen ins Boot zu holen.

 

Mein größter Erfolg war zu sehen wie die Maschine erstmalig zum ersten Auftrag gerollt ist und endlich ins Arbeiten gekommen ist. Und als ich dann endlich die erste Rechnung schreiben durfte, war ich sehr stolz.

 

WienWork: Privat gehst du Klettern, wie geht das?

Klettern war immer ein wichtiger Teil von mir. Ich habe ein paar tolle und harte Geschichten realisiert. Ohne die richtigen Leute an meiner Seite wäre das aber gar nicht möglich. Eine Seilschaft kann nur als Ganzes funktionieren.

 

Das Klettern ist ein wichtiger Ausgleich zu den Berufen. Die Touren, die mich bekannt gemacht haben, die waren dann immer auch am Limit und dann kommt der Genuss auch mal zu kurz. Es artet dann in Arbeit aus und als dann auch Sponsoren auf mich Aufmerksam geworden sind, dann wurde es stressig und ich möchte es eigentlich bei einem Hobby belassen. Es ist auch schön mal was auf Genuss zu machen.

 

WienWork: Wie hast Du die Unterstützung durch die Wien Work Gründungsberatung erlebt?

Ich bin sehr dankbar, dass es die WienWork Gründungsberatung gibt und ich Rudolf  Weissinger kennenlernen durfte. Die Unterstützung war sehr wertvoll und hat super funktioniert. Ich habe genau in jenen Bereichen Unterstützung bekommen, wo ich es in der Gründungsphase gebraucht habe. Zum Beispiel hat WienWork mir einen super Business Plan geschrieben mit dessen Hilfe ich die Finanzierung bekommen habe. Dieses Know-How war ungemein wertvoll. Die Unterstützung bei Behördenwegen und bei der Förderabwicklung waren ebenfalls sehr hilfreich. Ich glaube, dass viele Österreicher:innen gar nicht wissen wie gut Österreich da aufgestellt ist und wie tolle Unterstützungsmöglichkeiten es für Menschen mit Behinderung in diesem Land gibt.

 

WienWork: Vielen Dank für das Interview!

 

 

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