Mag. Harald Schlauss eröffnet das Francis!
Herr Schlauss ist Künstler. Als solcher hat er sein Hobby zum Beruf gemacht. Neben der Malerei liebt er Menschen und Musik. Sein Lokal ist seine Galerie: "Ich liebe es, Cocktails zu kreieren. Es ist wie Malerei - nur mit anderen Mitteln."
Wien Work: Danke, dass Sie sich Zeit für das Interview genommen haben. Bitte erzählen Sie ein wenig über sich und Ihren Lebensweg?
Nun, mein Lebensweg ist geprägt von Unfällen, woraus sich letztendlich auch positive Entwicklungen ergeben haben. Meine Lebensziele waren bereits in der Jugend stark ausgeprägt: Ich wollte Croupier bei den Casinos Austrias werden, mein künstlerisches, zeichnerisches Talent wollte ich weiterentwickeln und später, im Alter von ungefähr 50 eine kleine Bar aufmachen. Familie wollte ich gründen und einmal ein eigenes Haus besitzen.
Meinen ersten schweren Unfall hatte ich mit 20ig. Ich fuhr mit meinem Motorrad die Simmeringer Hauptstraße stadtauswärts, als ein Autofahrer über die doppelte Sperrlinie umdrehte, und ich keine Chance mehr hatte auszuweichen. In der Folge verstarb meine damalige Freundin, die am Soziussitz saß, nach dem Sturz auf der Stelle. Ich kam mit einer leichten Knieverletzung davon, doch mein Leben veränderte sich radikal. Wesentlich bewusster und intensiver verfolgte ich nun meine Lebensziele. Kurze Zeit später wurde ich an der Akademie der Bildenden Künste Wien im Fach Malerei aufgenommen. Doch die Folgen der „leichten“ Knieverletzung waren spürbar, und ich riss mir beim Fußballspiel das rechte Kreuzband im Knie ab. Ein Jahr später bekam ich eine Anstellung als Croupier. So arbeitete ich nachts am Spieltisch und tagsüber zeichnete und malte ich an der Akademie und besuchte die Vorlesungen. Mit 25 wurde ich Vater, heiratete und baute im 2. Bezirk eine 250m² Wohnung zu einem Wohnatelier um. Mit 30ig kam der zweite Kreuzbandriss (linkes Knie) und die erste Ehe scheiterte, worauf ich mich bei den Casinos Austria karenzieren ließ und nach Abschluss des Studiums der Malerei 1986 (seit damals habe ich als Künstler eine eigene Steuernummer) von September 1990 bis Juni 1991 nach Paris ging. Im österreichischen Kulturinstitut wurden mir ein Atelier und eine Wohnung zur Verfügung gestellt, und im Juni 1991 konnte ich dort eine große Ausstellung veranstalten. In diesem Zeitraum lebte auch meine kleine Tochter Julia, die 5 Jahre alt war, sechs Monate bei mir in Paris. Danach arbeitete ich weiterhin nachts als Croupier. Mit der Kindesmutter hatte ich geteiltes Sorgerecht vereinbart, welches es damals eigentlich noch gar nicht gab. Die Richterin ließ deshalb den Akt offen. Sollten Schwierigkeiten entstehen, würde das Sorgerecht einem von beiden zugesprochen werden. Es gab jedoch keine Probleme. Mit 19 zog dann Julia fix zu mir in meine neue Wohnung, ein Atelier hatte ich in unmittelbarer Nähe zur Wohnung angekauft. Jährlich veranstaltete ich zwei bis drei Ausstellungen, darunter auch in New York. Dann heiratete ich ein zweites Mal, daraus entstanden die Kinder Fiona und Coletta. Die Wohnung wurde zu klein und ich baute in Gaaden bei Mödling ein Haus, in welchem ich nach wie vor wohne. Die zweite Ehe hielt 18 Jahre lang. (Auch hier vereinbarte ich mit der Mutter der Kinder geteiltes Sorgerecht. Mittlerweile wohnt Fiona fix bei mir und Coletta jeweils zwei Wochen im Monat.) Als ich 2006 das Angebot eines „Golden Handshakes“ der Casinos Austria annahm, absolvierte ich unmittelbar danach den zweijährigen postgradualen Lehrgang an der Universität für angewandte Kunst „art & economy“ und entwickelte neue malerische Möglichkeiten auf Plexiglas, auch mit Hinterleuchtung. Mit Hilfe der Ausbildung konnte ich mich nun besser als Künstler platzieren, doch aufgrund der hereinbrechenden Wirtschaftskrise 2007 verlor ich am Aktienmarkt den Großteil meines Erspartem.
Wien Work: Herr Mag. Schlauss, Sie sind seit Anfang 2015 als Besitzer der Cocktail Bistro Bar „Francis“ selbständig tätig? Bitte erzählen Sie unseren LeserInnen wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist?
Eines Tages sprach mich ein Freund an, ob ich in der American Bar First Floor im Bermudadreieck Wien 1 als Barkeeper mitarbeiten möchte. (Ich hatte 1987 die Gastgewerbebefähigungsprüfung und einen Barkeeperkurs absolviert, bereits im Hinblick auf meinen Lebensabend..). Ich nahm an und blieb dort vier Jahre, bis mich abermals eine schwere Verletzung am Schienbein und schwere Kniebeschwerden umdisponieren ließen. 2014 sprach mich dann ein bekannter Kellner vom „Kleinen Cafe“ an, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm ein Lokal in der Weihburggasse Wien 1010 zu übernehmen. Nach eingehenden Verhandlungen mit der Vorbesitzerin und Erstellung eines Businessplanes sowie der Vorstellung, nur zwei Wochen im Lokal zu arbeiten, stimmte ich zu und im Jänner 2015 übernahmen wir das Lokal. Mein Partner sollte sich um das Essen kümmern, ich übernahm die Ausgestaltung des 40m² Lokales sowie den Einkauf der Getränke und die Cocktailzusammenstellung. Ich hatte mich jedoch bereits 2014 nach mehreren operativen Eingriffen für eine Knie-OP zur Implantation einer Knieendoprothese im Orthopädischen Spital Speising angemeldet, welche dann Ende Oktober 2015 an beiden Knien gleichzeitig durchgeführt wurde. Inzwischen musste ich mich aufgrund von diversen Vorfällen von meinem Partner trennen und stellte neues Personal ein, welches vorübergehend das Lokal führte, während ich im Spital war. Drei Wochen nach der OP arbeitete ich wieder voll in der Bar, strukturierte es personaltechnisch und angebotsmäßig um. Kleine, feine musikalische Konzerte, nette Geburtstagsfeiern und Sportübertragungen tragen nun zum Erfolg des Lokales bei.
Wien Work: Als Unternehmer mit Behinderung sind Sie mit besonderen Herausforderungen konfrontiert. Wie sieht Ihr Alltag aus? Und gibt es vielleicht auch Vorteile bzw. einen Nutzen, den Sie aus Ihrer Behinderung ziehen können, der Ihnen in Ihrer Selbständigkeit hilft?
Nutzen aus meinen motorischen Behinderungen konnte ich nicht ziehen. Meine Behinderungen behindern mich letzten Endes meine sportlichen und sonstigen Tätigkeiten auszuüben. Arbeitsmäßig geht es so recht und schlecht. Manchmal sind die Schmerzen stärker, manchmal weniger stark. Doch die Freude an der Arbeit und vor allem an den Ergebnissen steht darüber.
Wien Work: Welche Tipps möchten Sie aus Ihrer Erfahrung heraus an unsere LeserInnen und potentielle GründerInnen mit auf den Weg geben?
Die wirkliche Kraft kommt von innen. Ich denke, solange ich ein realistisch zu erreichendes Ziel verfolge, geht es mir gut, trotz Behinderung.
In diesem Zusammenhang gefällt mir ein Gedanke von Søren Kierkegaard, einem dänischen Philosophen, Theologen und Schriftsteller (1813-1855) besonders gut:
„Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir nicht Reichtum und Macht wünschen, sondern ein leidenschaftliches Gespür für Potential - ein Auge, das, immer jung und feurig, das Mögliche sieht.“
Wien Work: Welche weiteren Ziele verfolgen Sie?
Ich wünsche mir, dass ich noch viele Jahre dieses Lokal führen kann und, dass ich noch viele schöne Erlebnisse, wie ich sie bereits hier hatte, erleben darf.
Wien Work: Wieso haben Sie sich für eine Bar entschieden?
Ich liebe es, Cocktails zu kreieren. Es ist wie Malerei, nur mit anderen Mitteln.
Wien Work: Vielen Dank für das Gespräch!